Wolfgang Krauß Diplom Betriebswirt
Wenn der GAU eintritt
GAU steht als Abkürzung für den größten anzunehmenden Unfall. Und was ist der größte anzunehmende Unfall für einen Handwerksbetrieb? Der Ausfall des Unternehmers, der die Geschäfte leitet.
Bei der Hils GmbH in Offenburg fiel
von heute auf morgen der Chef aus.
Es ist ein Malerbetrieb mit rund 30
Mitarbeitern, der neben der Malerabteilung
eine Gerüstbauabteilung
und eine Abteilung für Bautrocknung
unterhält. Plötzlich und völlig unerwartet
wurde der Unternehmer
Manfred Hils durch einen Schlaganfall
aus dem betrieblichen Leben gerissen
und sein Bruder, Stefan Hils, musste
von heute auf morgen dessen Aufgaben
übernehmen.
Herr Hils, zuerst einmal die wichtigste
Frage, wie geht es Ihrem Bruder heute?
Stefan Hils: Gott sei Dank macht
seine Genesung deutliche Fortschritte.
Am Anfang wussten wir alle nicht, wie
die ganze Sache ausgehen würde, da
war alles möglich. Mittlerweile kann er
wieder gehen, nur das Sprechen und
die Motorik des einen Armes bereiten
noch Schwierigkeiten. Aber auch hier
hoffen wir auf einen weiteren positiven
Verlauf.
Abgesehen einmal von der sicherlich
hohen emotionalen Belastung für Sie
und die ganze Familie, das muss doch
für den betrieblichen Ablauf dramatisch
gewesen sein?
Stefan Hils: Das
können Sie laut sagen. Alleine sich in
so einer Situation auf den Betrieb konzentrieren
zu müssen, ist faktisch gar
nicht möglich, da gehen Ihnen ganz andere
Sachen durch den Kopf. Mein Bruder
hat ja mit mir bis dahin gemeinsam
die Geschäfte geführt, wobei er hauptsächlich
für den administrativen
Bereich, wie die Angebotsbearbeitung,
Kalkulation und Rechnungslegung zuständig
war und ich für das Baustellengeschäft vor Ort. Da waren die Aufgaben klar geregelt. Vielleicht etwas zu
klar.
Wie meinen Sie das?
Stefan Hils: Nun,
durch die Aufgabenabgrenzung hat
eben jeder vorrangig seinen Bereich
wahrgenommen. In so einem Notfall
stehen Sie dann auf einmal vor dem
Problem, sich einen Überblick über den
aktuellen Stand der Dinge des anderen
verschaffen zu müssen. Und Sie können
niemanden fragen. Das ist hart.
Wie haben denn die Mitarbeiter auf
diese Situation reagiert?
Stefan Hils:
Die waren genauso geschockt wie wir.
Vereinzelt wurden sogar Bedenken geäußert,
ob und wie es mit dem Betrieb
weitergeht. Deshalb war es für mich
sehr wichtig, alle Anstrengungen zu
unternehmen um eine gewisse Normalität
aufrechtzuerhalten.
Wie haben Sie das geschafft?
Stefan Hils: Indem ich alles daran gesetzt habe,
dass die Lohnzahlungen weiterhin
pünktlich überwiesen werden konnten.
Unser Betrieb besteht seit dem Jahr
1963 und immer wurden die Löhne
und Gehälter pünktlich bezahlt, darauf
sind wir stolz und das sollte auch so
bleiben. Dann ist noch zur Unterstützung
unserer kaufmännischen Mitarbeiterinnen,
Frau Indra Hils und unserer
Auszubildende, Frau Beiser, meine
Mutter, die früher den Betrieb zusammen
mit meinem Vater geführt hatte,
eingesprungen.
Was waren für Sie die größten Probleme
der Bewältigung?
Stefan Hils: Einmal,
wie bereits gesagt, mir einen Überblick
über die laufenden Geschäfte meines
Bruders zu verschaffen und dann
natürlich auch die zeitliche Komponente.
Durch den Ausfall meines Bruders
hat die Woche für mich 7 Arbeitstage,
wobei ich jetzt durch die getroffenen
Umstrukturierungsmaßnahmen mir
wieder einmal den einen oder anderen
Samstag und Sonntag freinehmen
kann. Ziel ist es, auch hier wieder zu
normalen Arbeitszeiten zu kommen.
Berichten Sie uns doch von diesen Umstrukturierungen.
Stefan Hils: Bei all
den Schwierigkeiten, die sich ergeben
haben, war für mich das Belastendste,
dass mir der Überblick gefehlt hat, wo
der Betrieb steht und wie wir ihn durch
die veränderte Situation ausrichten
müssen. Viel Zeit ging dadurch verloren,
dass ich immer wieder Feuerwehr spielen
musste, weil irgendwelche Informationen
nicht oder nur teilweise an die
richtige Stelle kamen. Das betraf hauptsächlich
die Dinge, die direkt mit dem
Baustellenablauf zusammenhingen.
Ich hatte für die Baustellenvorbereitung
einfach keine Zeit mehr. Diese Schwachpunkte wurden durch den Ausfall meines
Bruders besonders deutlich. Ich habe
mir daher professionelle Unterstützung
durch den Berater Wolfgang Krauß geholt,
der mir bereits durch Empfehlungen
von Kollegen bekannt war.
Herr Krauß, wie ist denn Ihre Arbeit in
der Firma Hils abgelaufen?
Wolfgang Krauß: Nach einem ersten Telefonkontakt
haben wir uns für ein unverbindliches
Gespräch zusammengesetzt. Besonders
wichtig war natürlich für mich,
die Familie Hils kennenzulernen und
mir vor Ort einen aktuellen Überblick
zu verschaffen. Danach haben wir gemeinsam
die weitere Vorgehensweise
festgelegt.
Und wie sah die aus?
Wolfgang Krauß:
Zuerst einmal sicherstellen, dass die
Liquidität gegeben ist, um Zeit für die
Umsetzungsmaßnahmen zu haben.
Daher stand der Punkt Auftragsabwicklung
ganz oben auf unserer Agenda.
Nach wie vor wird das Geld auf der
Baustelle verdient. Bei der Analyse der
betrieblichen Abläufe wurde sofort
deutlich, dass, was auch nicht anders zu
erwarten war, Herr Hils keine Chance
haben wird, die Aufgaben alleine zu
bewältigen. Er brauchte unbedingt eine
Unterstützung im technischen Bereich.
Glücklicherweise konnten wir hierfür
einen bereits im Betrieb vorhandenen
Meister, Herrn Himmelsbach, gewinnen,
der bis dahin auf den Baustellen
unterwegs war. Ihn konnten wir in die
technische Geschäftsführung einbinden,
was schon einmal eine deutliche
Entlastung für Herrn Stefan Hils darstellte.
Die Baustellenprozesse wurden
gemeinsam klarer strukturiert und
transparenter gestaltet. Hierzu haben
wir die Vorarbeiter mit an den Tisch
geholt. Zum einen, um die zukünftige
Neuausrichtung darzustellen, zum anderen,
um deren Baustellen-Know-how
zu nutzen. Im Ergebnis findet jetzt u.a.
Bei Großbaustellen eine Vorabbesichtigung
durch den Baustellenverantwortlichen
statt. Mittels Checkliste wird nun
vor dem Baustellenstart geprüft, wieweit
die Ausschreibung von den realen
Bedingungen abweicht und wie zu reagieren
ist. Gerade in der Umsetzung ist
die Einführung einer Baustellenübersicht mittels einer Plantafel. Bei diesen
sehr konstruktiven Gesprächen wurde
auch deutlich, dass sich die Vorarbeiter
eine stärkere Rückkoppelung über
die Baustellenergebnisse wünschen.
Welche weiteren Maßnahmen wurden
ergriffen?
Stefan Hils: Um den
Informationsaustausch zwischen mir,
dem Meister und den Vorarbeitern
weiter zu verbessern, finden jetzt regelmäßige
Besprechungsrunden statt. In
denen wird über den Stand der laufenden
und der kommenden Baustellen
gesprochen. Parallel hierzu hat uns
Herr Krauß die Grundlagen für unsere
Kalkulation geschaffen und mittels
einer Kostenplanung die Zielvorgaben
erarbeitet. Für jeden unserer Leistungsbereiche
gibt es jetzt eine klare Übersicht
über die Kosten und Erträge. Alle
Einzelergebnisse laufen in eine Chefübersicht
zusammen, die mir wöchentlich
vorgelegt wird. So sehe ich fortlaufend, wo der Gesamtbetrieb und
die einzelnen Abteilungen stehen.
Gab es denn Probleme oder Widerstände
bei den Umsetzungsmaßnahmen?
Stefan Hils: Damit die Neustrukturierung
auch klappt ist natürlich die
Akzeptanz aller Beteiligten nötig.
Deshalb wurden Sinn und Zweck fortlaufend
kommuniziert. Unter anderem
auch durch direkte Schulungen, beispielsweise
des kaufmännischen
Personals, das die Eingaben für das
Controlling durchführt. Des Weiteren
haben wir nach den Vorarbeiterbesprechungen
eine Betriebsversammlung mit
allen Mitarbeitern durchgeführt, in der
nochmals auf die aktuelle Situation, die
Änderungen und die Zukunftsaussichten eingegangen wurde. Die Versammlung
fand erst einmal ohne die Geschäftsleitung statt, damit die Mitarbeiter frei über alles reden und Herrn
Krauß auch Fragen stellen konnten.
Tabuthemen gab es hierbei keine. Am
Ende sind dann mein Meister und ich
hinzugekommen, um die gemeinsame
Linie abzustimmen und noch offene
Fragen zu beantworten. Natürlich gibt
es immer wieder einmal den einen oder
anderen Punkt, über den zwischen
Mitarbeiter und Geschäftsleitung eine
unterschiedliche Sichtweise herrscht.
Aber unser eingeschlagener Weg ist der
richtige, das zeigen die bereits eingetretenen
positiven Ergebnisse. Wir werden
ihn daher im Interesse des Gesamtbetriebes
konsequent weiterverfolgen.
Was ist denn Ihr Fazit aus der ganzen
Geschichte?
Stefan Hils: Bei all den
Sorgen und Problemen, die eine solche
Situation mit sich bringt, und ich spreche
hier von Problemen und nicht nur
von Herausforderungen, haben wir jetzt
Dinge umgesetzt, über die wir bereits
früher schon gesprochen hatten. Wir
haben auch gesehen, wie wichtig es ist,
eine möglichst hohe Transparenz zu
schaffen, falls mal jemand ausfällt. Und
das ist keine Frage des Alters. Persönlich
sind es solche Momente, in denen
man wieder über das Leben nachdenkt
und was wirklich von Bedeutung ist.
Wie wird es mit Ihrem Bruder weitergehen?
Stefan Hils: Das Wichtigste ist,
dass seine Genesung weiter voranschreitet.
So wie er es möchte und kann,
kommt er in den Betrieb und führt unseren
Meister in unser Kalkulationsprogramm
ein. Wir hoffen natürlich, dass er
uns in Zukunft wieder stärker unterstützen
kann. Alles andere wird man sehen.
Herr Hils, das was Sie gerade durchgemacht
haben, vor diesen Problemen
wird sicherlich auch einmal der
eine oder andere Kollege stehen. Darf
ich es denn unseren Lesern anbieten
sich in einer solchen Lage an Sie
wenden zu dürfen?
Stefan Hils: Gerne.
Ich bedanke mich für dieses Angebot
und für das Interview und wünsche
Ihrem Bruder alles Gute.
www: Wolfgang Krauß Diplom Betriebswirt
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